Kapitalbezug der Altersleistung

Akzent Schweizer Personalvorsorge 06/2017 - Kapitalbezug der Altersleistung

 

Eine gute Wahl, sofern die Gründe stimmen

 

Das Bundesgesetz über die berufliche Alters- und Hinterlassenenvorsorge sieht in Art. 37 explizit vor, dass mindestens ein Viertel der zustehenden Altersleistung bei Pensionierung in Kapitalform bezogen werden kann. Viele Pensionskassen gehen über diese gesetzlich vorgesehene Wahlmöglichkeit hinaus. Die Entscheidungsfreiheit bringt eine oft unterschätzte Verantwortung mit sich.

 

Nicht ohne Grund sieht das Gesetz bei verheirateten oder registrierten Paaren eine zwingende Zustimmung des Partners für den Kapitalbezug vor. Der Kapitalbezug hat nämlich nicht nur Auswirkungen auf die versicherte Person, sondern auch auf deren Partner und allfällige Kinder. Mit der Zustimmung zum Kapitalbezug verzichtet der Partner oder die Partnerin auf eine zukünftige Hinterlas-senenleistung und allfällige Kinderrenten von 60 und mehr Prozent der Altersrente. Gerade bei Paaren mit grossem Altersunterschied eine nicht zu unterschätzende Komponente der Altersleistung.
Die Entscheidung für einen Renten- oder Kapitalbezug aus der Pensionskasse zu fällen, setzt voraus, dass man sich über dessen Konsequenzen bewusst ist. Dies wiederum ist nur möglich, wenn sämtliche Teilaspekte und Konsequenzen für einen Renten- oder einen Kapitalbezug einander möglichst objektiv gegenübergestellt werden.
 

Mindestens 5 Prozent
Ein zentraler Aspekt bei der Entscheidungsfindung sind die Erträge auf den Vermögensanlagen, die der Kapitalbezüger zukünftig erwartet. Ein Vergleich, der oftmals gemacht wird, aber letztendlich eine falsche Sicherheit gibt, ist jener, dass man davon ausgeht, den BVG-Mindestzinssatz bei eigener Vermögensanlage zu übertreffen und somit besser zu fahren, als wenn man eine Rente bezieht. Dieser Vergleich ist schon deshalb nicht zielführend, weil die meisten Pensionskassen für die Bewertung der Rentenverpflichtungen einen deutlich höheren Zinssatz als den BVG-Mindestzins anwenden und somit einen entsprechend höheren Vermögensertrag bei der Berechnung der Rentenhöhe zugrunde legen (zurzeit 2.25 bis 2.75 Prozent pro Jahr). Einige Punkte sprechen dafür, dass eine Pensionskasse höhere Anlageerträge erzielen kann als eine private Person:

 

- Die Pensionskasse kann von deutlich tieferen Vermögensverwaltungskosten ausgehen als ein Privatanleger. Die Kosten dürften für einen Privatanleger rund 1 Prozent höher liegen als für eine Pensionskasse.

- Durch die Kollektivität der Pensionskasse verbessert sich die Risikofähigkeit. Eine Pensionskasse kann in der Regel höhere Anlagerisiken verkraften als eine auf ein regelmässiges Einkommen angewiesene Einzelperson.

- Zugang zu spezielleren Anlagegefässen

 

Addiert man diese Komponenten, zeigt sich, dass ein Kapitalbezüger mit durchschnittlicher Lebenserwartung einen jährlichen Ertrag von 5 Prozent und mehr auf seinen Vermögensanlagen erwirtschaften muss, um eine vergleichbare Leistung wie ein Rentenbezüger zu erhalten.

 

Individuelle Entscheidung
Unabhängig von der ertragsseitigen Betrachtung gibt es diverse weitere Kriterien, die bei der Entscheidung für einen Kapital- oder einen Rentenbezug aus der Pensionskasse mitberücksichtigt werden müssen.
Die Liquiditätsplanung ist ein weiteres zentrales Element bei der Entscheidung für Kapital- oder Rentenbezug aus der Pensionskasse. Eine seriöse Planung der Einkommensströme nach der Pensionierung unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien zeigt auf, welchen Einfluss ein Kapital- oder ein Rentenbezug auf die zukünftigen Einkommensverhältnisse hat.
Ein Kapitalbezug ermöglicht eine frühzeitige Nachlassplanung und eine Zuwendung an die Nachkommen nach erbrechtlichen Kriterien. Ein Rentenbezug hingegen sichert ein regelmässiges garantiertes Einkommen, schränkt dafür die Verfügungsgewalt über die Vermögenswerte ein.
Die richtige Entscheidung bezüglich Kapital- oder Rentenbezug aus der Pensionskasse zu fällen, ist letztlich so individuell wie die Bedürfnisse der Versicherten. Es gibt in diesem Zusammenhang kein Falsch oder Richtig. Allerdings sollte jede Person, die sich mit dieser Frage auseinandersetzt, sicherstellen, dass sie auf Basis der richtigen Grundlagen eine Entscheidung fällt.
Die nicht abschliessende Auflistung in der Tabelle soll eine Hilfestellung für die Versicherten bieten, die sich mit dem Bezug der Altersleistung auseinandersetzen.

 

Entscheidungshilfe für die Versicherten

- Familiäre Situation: Bin ich alleinstehend oder lebe ich in einer Partnerschaft? Habe ich rentenberechtigte Kinder? Möchte ich, dass die Vermögenswerte aus meiner Pensionskasse bei meinem Ableben nach erbrechtlichen Kriterien an meine Hinterbliebenen verteilt werden?

- Lebenserwartung: Wie hoch ist meine Lebenserwartung? Möchte ich mein Langlebigkeitsrisiko selber tragen?

- Finanzielle Situation: Bin ich auf ein regelmässiges Einkommen angewiesen? Kann ein regelmässiges Einkommen bereits aus der Pensionskasse des Lebenspartners gewährleistet werden? Bietet meine Pensionskasse eine höhere Altersrente als die Pensionskasse des Lebenspartners?

- Vermögensanlage: Gehe ich davon aus, auch längerfristig die Anlage meiner Vermögenswerte zu gewährleisten? Kann ich einen höheren Anlageertrag als die Pensionskasse erwirtschaften und die Risiken tragen? Setze ich mich gern mit der Vermögensanlage auseinander? Habe ich das nötige Fachwissen?

 

Michael Schmidt, Leiter Pensionskassenberatung, Mitglied der Geschäftsleitung, Assurinvest AG