Teilliquidationen in der Praxis - kein Hexenwerk

Akzent Schweizer Personalvorsorge 12/2021 -  Teilliquidationen in der Praxis - kein Hexenwerk

 

Teilliquidationen in der Praxis - kein Hexenwerk

Der Stiftungsrat muss sich bewusst sein, dass es nicht darum geht, dass die Pensions­kasse nach der Teilliquidation bessergestellt ist als vorher. Es ist ein Nullsummenspiel. 

 

Welcher Sachverhalt1 führt am häu­figsten zu einer Teilliquidation?
Bei der Bafidia, wenn grössere Anschlüsse den Vertrag kündigen. Das passierte vor drei Jahren. 30 Prozent gingen auf einen Schlag weg. Das löste zwangsläufig eine Teilliquidation aus. Bei den anderen Pensionskassen ist es häufig der Verkauf von Unternehmensteilen, die zu einem Personalabbau oder einer Ausgliederung von Betriebsteilen führen.

Wie oft kommt eine Teilliquidation vor?
Bei der Assurinvest AG betreuen wir im Moment 45 Pensionskassen. Alle ein bis zwei Jahre sind wir mit einer Teilliquida­tion konfrontiert. Manche Pensionskas­sen hatten noch keine Teilliquidation. In den letzten Jahren waren es meistens In­dustriebetriebe, die immer wieder mal Personalabbau hatten.

Was geschieht mit den Versicherten, insbesondere den Rentenbeziehenden, bei einer Teilliquidation?
Das hängt davon ab, was die Teilliquida­tion auslöst. Bei einem Personalabbau treten die aktiven Versicherten aus, die Rentner bleiben. Bei einem Verkauf von Unternehmensanteilen muss man je­weils schauen, welche Rentner zum Unternehmensteil gehören. Diese ver­sucht man nach Möglichkeit mitzuge­ben. Gerade bei älteren Unternehmen ist die Zuordnung nicht so einfach, weil zum Beispiel die Firma vor zwanzig Jah­ren schon einmal umstrukturiert wurde und die Rentnerzuteilung nicht immer ganz einfach ist. Im Zweifelsfall bleiben die Rentner in der Pensionskasse.

Wann und wie werden die Versicherten und Rentner über die Teilliquidation informiert?
So früh wie möglich. Wenn es klar ist, dass sich bei einer Firmenpensionskasse eine Teilliquidation abzeichnet, infor­mieren wir die Versicherten nach Mög­lichkeit präventiv. Viele Versicherten, haben Angst, dass die Pensionskasse auf­gelöst wird. Wir kommunizieren deshalb frühzeitig, dass es nur ein administrativer Vorgang ist.

Stellen die Versicherten viele Fragen?
Das ist sehr unterschiedlich. Bei der letz­ten Teilliquidation bei der Bafidia war der Informationsbedarf gross. Wir be­kamen verschiedene Anfragen und Ein­sprachen. Bei Firmenpensionskassen gibt es nur wenige Anfragen.

Was war bei der Bafidia Pensionskasse speziell?
Im Rahmen der Teilliquidation mussten Rentenbewertungen hinterfragt werden, weil sich der Anteil Rentner erhöht hatte. Das führte zu zusätzlichen Rückstellun­gen. Die Einsprechenden hatten das Gefühl, dass die Situation schlechter dargestellt wird und dadurch zu wenig Reserven mitgegeben werden. Wir zeig­ten transparent auf, dass es nicht darum geht, jemanden besserzustellen, sondern um die Fortführungssicherheit der Pen­sionskasse. Ein zweites Thema bei der Bafidia war die Bewertung der Immo­bilien. Jene, die Einsprachen erhoben, stellten die korrekte Bewertung der Lie­genschaften in Frage. Wir konnten auf­zeigen, dass die massgebenden Bewer­tungsgrundsätze auch in den Vorjahren angewendet wurden.

Wie lösten Sie die Situation?
Wir haben mehrere Gespräche geführt. Alle waren sich einig, dass der Prozess­weg niemandem etwas bringt. Wir machten gute Erfahrungen mit einer transparenten Kommunikation. So konnte man sich einigen. Auch bei den anderen von mir betreuten Pensionskas­sen konnte der Sachverhalt in Gesprä­chen erklärt werden. Es gelangte keine Einsprache an die Aufsicht.

Haben die Einsprechenden das Ge­fühl, dass sie zu wenig Geld bekom­men?
Ja, häufig. Bei einer Firmenpensions­kasse hatte sich beispielsweise eine Ab­teilung verselbständigt. Wir behandelten dies als Einzelaustritte. Die Personen verliessen die Firma gleichzeitig und planten, eine eigene Firma zu gründen. Die Neugründung zögerte sich aber so lange hinaus, dass zum Zeitpunkt der Teilliquidation die neue Firma noch nicht bestand. Laut Reglement findet ein Kollektivaustritt jedoch nur statt, wenn eine gewisse Anzahl Personen gemein­sam in eine neue Vorsorgeeinrichtung übertritt. Da es noch keine neue Vor­sorgeeinrichtung gab, hatten die austre­tenden Personen keinen Anspruch auf Wertschwankungsreserven und freie Mittel. Wir erklärten ihnen das Regle­ment. Der Sachverhalt wurde akzeptiert.

Wie können Konflikte bei einer Teil­liquidation im Voraus verhindert wer­den?
Wir haben oft die Erfahrung gemacht, dass der Stiftungsrat das Gefühl hat, er müsse das Geld festhalten und ja keine Wertschwankungsreserven oder freie Mittel auszahlen. Dieses Verhalten führt zwangsläufig zu Einsprachen. Der Stif­tungsrat muss sich bewusst sein, dass es nicht darum geht, dass die Pensionskasse nach der Teilliquidation bessergestellt ist als vorher. Es ist ein Nullsummenspiel. Nach der Teilliquidation sollte die finan­zielle Lage der Pensionskasse gleich sein wie vorher. Viele abgehende Bestände verstehen nicht, dass sich der Rentner­anteil erhöht, weil nur aktive Versicherte gehen. Um dem Fort bestandsinteresse der Pensionskasse Rechnung zu tragen, muss allenfalls der technische Zins redu­ziert werden, was zu einem tieferen De­ckungsgrad führt. Es hat sich bewährt, den Versicherten transparent zu erklären, dass die Teilliquidation Mittel absor­biert, die notwendig sind für die Sicher­heit des Restbestands.

Was ist besonders herausfordernd bei der Umsetzung einer Teilliquidation?
Die Kommunikation. Man muss recht­zeitig und objektiv alle Anspruchsperso­nen informieren.

Wie lange dauert in der Regel eine Teilliquidation?
Im Optimalfall dauert es drei bis vier Monate. Im schlechtesten Fall kann es über zehn Jahre dauern. Die Versicherten bemerken in der Regel nichts davon. Die Freizügigkeitsleistungen werden ausbe­zahlt. Für sie ist es schön, wenn später noch zusätzliche Mittel ausbezahlt wer­den.

Haben Sie Tipps für andere Pensions­kassen?
Transparenz und Verständlichkeit schaf­fen Vertrauen. Man muss so klar, ver­ständlich und offen wie möglich kom­munizieren. Die Gegenpartei muss glau­ben, was man schreibt. Es lohnt sich, vorgängig zu kommunizieren, dass die Teilliquidation keine Auflösung der Pen­sionskasse, sondern ein administrativer Vorgang ist und zum Ziel hat, alle Par­teien gleichzustellen. Ich habe die Erfah­rung gemacht, dass die Teilliquidation kein Hexenwerk ist. Es ist einfach ein Vorgang, der sauber abgewickelt werden muss.

 

Sachverhaltder Teilliquida­tion: Ablauf der Teilliquidation*
Entweder beschliesst der Arbeitgeber, dass er einen Unternehmsteil verkauft oder er be­schliesst einen Personalabbau. Für uns als externe Geschäftsstelle ist wichtig, dass wir dies rechtzeitig erfahren. Bei einem schlei­chenden Personalabbau, der sich über län­gere Zeit hinzieht, ist die Abgrenzung schwierig. Wir sind auf Stiftungsräte ange­wiesen, die den Sachverhalt in den Firmen kennen und wissen, ob jemand unabhängig davon gekündigt hat. Wir müssen auch ab­klären, wohin die Leute gehen. Danach kön­nen wir Berechnungen anstellen. Wenn der Stichtag in der ersten Jahreshälfte liegt, gibt es oft einen zeitlichen Druck. In der zweiten Jahreshälfte kann man sich Zeit lassen, weil man den nächsten Jahresabschluss abwar­ten muss.

Im Schreiben an die Versicherten infor­mieren wir über das Einspracherecht sowie die Fristen. Bei Einsprachen stellt der Stif­tungsrat in der Regel ein Argumentarium zusammen. Die Versicherten haben dann nochmals dreissig Tage Zeit, um gegen die Stellungnahme des Stiftungsrats Einspra­che zu erheben. Nach Ablauf der Fristen kontaktieren wir die Aufsicht.

Nach Bestätigung der Aufsicht führen wir die Teilliquidation durch. Wir zahlen die Mit­tel aus und informieren die Versicherten über die Abwicklung. Bei kollektiven Aus­tritten gibt es eine Auszahlung und Infor­mation an die übernehmende Pensions­kasse. Individuelle Zahlungen sind etwas aufwendiger. Bei freien Mitteln wissen die Sammeleinrichtungen zum Teil nicht, was sie damit machen sollen. Es liegt aber nicht an der abgebenden Pensionskasse, dies zu beurteilen. In der Regel verteilen sie die Mit­tel auf die Altersguthaben.

* Dies ist ein genereller Ablauf und bezieht sich nicht auf die Bafidia.

 

Interview:  Judith Yenigün-Fischer, Schweizer Personalvorsorge mit Michael Schmidt, Assurinvest  AG