Umsetzung und Fragestellungen zu Art. 47a BVG

Akzent Schweizer Personalvorsorge 08/2022 -  Umsetzung und Fragestellungen zu Art. 47a BVG

 

Mit der Einführung von Art. 47a BVG hat der Gesetzgeber ein Instrument geschaffen, welches älteren Versicherten Personen die Möglichkeit bietet, im Falle einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber, die bisherige Vorsorge bis zur ordentlichen Pensionierung weiterzuführen. Der auf den ersten Blick klare und pragmatische Gesetzestext führt in der Praxis zu diversen Fragestellungen, welche wohl teilweise durch die Rechtsprechung zu lösen sein werden.

 

Seit dem 1. Januar 2021 haben gekündigte Angestellte aufgrund des neu geschaffenen Artikels 47a BVG ab Alter 58 einen gesetzlichen Anspruch auf Fortführung der Altersvorsorge bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung, auch wenn sie nicht mehr dort angestellt sind. Bisher galt ein solcher Anspruch nur, wenn das Reglement der Pensionskasse eine solche externe Mitgliedschaft explizit vorsah.

 

Zusätzlich zur Pflicht, eine externe Mitgliedschaft anzubieten, wurden im neuen Art. 47a BVG einige Konkretisierungen eingeführt, welche auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen, jedoch bei genauerer Betrachtung eine nicht unerhebliche Anzahl von Fragen aufwerfen. In diesem Artikel gehe ich auf einige der am häufigsten auftauchenden Fragen ein. Für viele Antworten wird vermutlich die Rechtsprechung zuständig sein.

 

Zweijährige Frist für Kapitalbezug

Eine der häufigsten Fragen, die von Versicherten gestellt wird, ist jene nach der zweijährigen Frist für einen allfälligen Kapitalbezug nach Beginn der externen Mitgliedschaft. Die Versicherten verstehen nicht, weshalb sie sich nach dieser zweijährigen Frist nicht mehr für die Kapitaloption entscheiden können. Zumal einerseits im besagten Artikel immer wieder daraufhin gewiesen wird, dass die externen Versicherten gleich zu behandeln sind, wie alle übrigen Versicherten. Offenbar sind in diesem Fall manche Versicherten gleicher als andere. Die Zweijahresfrist für den Bezug der Altersleistung in Kapitalform ist vermutlich steuerrechtlich motiviert, da auch eine externe Mitgliedschaft häufig eine maximale Versicherungsdauer von zwei Jahren vorsieht. Diese wiederum fusst darauf, dass der Gesetzgeber in Art. 1 Abs. 2 BVG verhindern will, dass das BVG durch die Versicherung fiktiver Erwerbseinkommen als Steuersparvehikel missbraucht wird. Entsprechend ist nach vorherrschender Lehre eine Weiterversicherung für Personen ohne AHV-pflichtiges Einkommen nur für vorübergehende Erwerbsunterbrüche von in der Regel nicht mehr als zwei Jahren möglich.

 

Daraus ergibt sich dann auch gleich eine weitere Frage: Welche Regelung gilt bei einem Vorsorgereglement, das bisher bereits eine freiwillige Fortführung der Vorsorge nach Art. 47 vorsah? Kann eine gekündigte Person wählen, ob sie ihre Altersvorsorge nach Art. 47 oder Art. 47a weiterführen möchte? Ist eine gewählte Option nachträglich änderbar?

 

Konkretisierung im Reglement

Die Formulierung von Art. 47a sieht grundsätzlich das Wahlrecht der versicherten Person vor, macht aber keine weiteren Vorgaben dazu. Somit ist hier eine zusätzliche Konkretisierung im Vorsorgereglement dringend zu empfehlen, da sich in der Praxis gezeigt hat, dass die Auswirkungen und Unterschiede der einzelnen Fortführungsmöglichkeiten nicht immer klar kommuniziert werden.

 

Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich in BSV-Mitteilung 153 ebenfalls dazu geäussert, ob die Wahl für die Fortführung der Vorsorge mit oder ohne Sparbeiträge nachträglich wieder geändert werden kann. Das BSV vertritt die Meinung, dass kein gesetzlicher Anspruch auf eine nachträgliche Anpassung besteht, eine reglementarische Bestimmung jedoch durchaus zulässig wäre. Eine Konkretisierung im Vorsorgereglement ist somit empfehlenswert und schafft Klarheit für die Versicherten. Es ist vorstellbar, dass eine Regelung analog der freiwilligen Zusatzsparbeiträge in einem Vorsorgereglement zielführend wäre, welche zum Beispiel vorsieht, dass jährlich gewählt werden kann, ob die Sparbeiträge fortgeführt werden sollen oder nicht.

 

Muss eine versicherte Persson eine temporäre Arbeitsstelle annehmen?

Zu vielen Fragen Anlass gibt hingegen Absatz 4 von Art. 47a BVG. «Bei Eintritt in eine neue Vorsorgeeinrichtung endet sie (die externe Mitgliedschaft), wenn in der neuen Einrichtung mehr als zwei Drittel der Austrittsleistung für den Einkauf in die vollen reglementarischen Leistungen benötigt werden.». Diese auf den ersten Blick pragmatische und schlüssige Formulierung des Sachverhaltes stellt viele Versicherte bei der Annahme einer Arbeitsstelle vor Probleme,

 

Kann eine extern versicherte Person von der regionalen Arbeitsvermittlung gezwungen werden, eine temporäre Arbeitsstelle anzunehmen, auch wenn sie dadurch den Versicherungsschutz bei der bisherigen Pensionskasse verliert, weil das Kriterium aus Abs. 4 von Art. 47a BVG erfüllt ist?

 

Da in der Formulierung der Aufhebungsvoraussetzung nicht zwischen einer temporären und einer Festanstellung unterschieden wird, wird die externe Mitgliedschaft bei der bisherigen Vorsorgeeinrichtung auch dann beendet, wenn lediglich eine temporäre Anstellung erfolgt und mindestens 2/3 des Altersguthabens an die neue Vorsorgeeinrichtung übertragen werden können. Nach Ablauf der temporären Anstellung besteht für den Versicherten kein Anspruch auf externe Mitgliedschaft bei der neuen Vorsorgeeinrichtung, da das Arbeitsverhältnis nicht vom Arbeitgeber aufgelöst wird, sondern von vorn herein befristet vereinbart wurde.

 

Viele Wählmöglichkeiten sind Segen und Fluch zugleich

Eine weitere Formulierung im Gesetzestext, welche nicht nur die Versicherten irritiert, sondern auch die jene Personen, welche die Versicherten beraten ist die Tatsache, dass die Versicherten vielfältige Wahlmöglichkeiten zur Fortführung der Vorsorge haben, welche auf den ersten Blick nicht ersichtlich sind.

 

In Absatz 2 können die Versicherten wählen, ob sie lediglich die Risiko- oder auch die Altersvorsorge weiterführen möchten. Die Formulierung führt bei den Versicherten zu Verunsicherung, da sie die Nicht-Weiterführung der Altersvorsorge mit der zwingenden Auszahlung des Altersguthabens gleichsetzen. Aussage des Absatzes ist jedoch nur, die Versicherten haben die Wahl, ob sie weiterhin Sparbeiträge entrichten oder das Sparguthaben ohne weitere Beiträge bestehenlassen.

 

Nach Absatz 7 kann die Vorsorgeeinrichtung (muss aber nicht) im Reglement eine weitere Wahlmöglichkeit einbauen, wonach die versicherte Person wählen kann, ob sie weiterhin den bisherigen Lohn oder einen tieferen Lohn versichern möchte. Diese Option beschränkt sich nicht allein auf die Fortführung der Vorsorge, sondern kann in Bezug auf die Risikovorsorge differenziert angewendet werden.

 

Aus diesem Sachverhalt ergibt sich wiederum eine Fragestellung: Ist ein tieferer versicherter Lohn möglich, wenn die versicherte Person lediglich die Fortführung der Risikovorsorge vorsieht oder ist hier zwingend der bisherige Lohn zu versichern? Aufgrund der Abfolge im Gesetzestext ist wohl zu interpretieren, ein reduzierter versicherter Lohn sei nur dann zulässig, wenn die Fortführung der Risiko- und Altersvorsorge gewählt wird (nachfolgende Illustration).

 

 

 

Es ist lobenswert, dass durch die gewählten Regelungen auf fast alle Versichertenbedürfnisse Rücksicht genommen werden kann. Befürchtet werden muss aber auch, dass viele Versicherte mit den vielfältigen Wahlmöglichkeiten schlicht überfordert sind.


TAKE AWAYS

  • Eine Präzisierung im Reglement empfiehlt sich.
  • Die Versicherten verstehen nicht, weshalb sie sich nach der zweijährigen Frist nicht mehr für die Kapitaloption entscheiden können.
  • Nach Ablauf der temporären Anstellung besteht für den Versicherten kein Anspruch auf externe Mitgliedschaft bei der neuen Vorsorgeeinrichtung, da das Arbeitsverhältnis nicht vom Arbeitgeber aufgelöst wird, sondern von vorn herein befristet vereinbart wurde.

 

Michael Schmidt, Leiter Pensionskassenberatung, Mitglied der Geschäftsleitung